Die AFACIAL Skinbar ist die erste Facial Bar in Wien. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kosmetikstudios wird hier durch den offenen Raum die Kommunikation gefördert und die perfekte Voraussetzung für eine völlig neue Skincare-Erfahrung geschaffen. Die Innenarchitektin Carina Haberl Kolozs hat es geschafft, dass auch das Design der Skinbar unter die Haut geht.
Stechputz
Bei Stech- bzw. Steinputzen handelt es sich oft um einfache Imitationen von Steinputzstrukturen. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Strukturputzen, bei denen die Oberfläche im noch feuchten Oberputz strukturiert wird, kann die charakteristische Stein-imitierende Oberfläche auch an nahezu vollständig ausgehärteten Putzen mittels steinmetzartiger Bearbeitung gestaltet werden. Strukturiert wird in der Regel mit Hammer und verschiedenen Meißeln. Bei der steinmetzartigen Bearbeitung ist darauf zu achten, dass dem Mörtel eine möglichst gleichmäßige Korngröße und Kornfarbe beigemischt wird. Zudem sollte das Korn eine geringere Druckfestigkeit als das verwendete Bindemittel aufweisen. Dadurch lassen sich die Putze leichter bearbeiten.
Alternativ zur steinmetzartigen Bearbeitung kann in den noch feuchten Putz ein Holzstab, eine Kelle, oder ähnliches eingedrückt werden. Das gewählte Stechwerkzeug hinterlässt ein tiefes, kraterartiges Relief im Mörtelbett und erzeugt dadurch eine grobe Putzstruktur, die ebenfalls eine steinerne Oberfläche imitieren soll.
Stechputze finden fast ausschließlich an Bossen oder Streifenrustika und insbesondere in Erdgeschosszonen oder im Hochparterre Anwendung. Sie verleihen dem Gebäude optisch einen festen Stand, können aber auch wehrhaft gegenüber dem Betrachter wirken.
Eine gute Putzfassade ist also nie perfekt in Struktur und Glätte, da der Putzer stets mit seiner eigenen Handschrift den Putz strukturiert und dies insbesondere über große Fassadenflächen kaum makellos möglich ist. Die Ästhetik des Material Putzes besteht doch insbesondere in seiner Lebhaftigkeit.
A. Wietersheim
Interview mit Annabel Wietersheim
Putz kann einem rohen Material wie Beton oder Stein etwas Kleidendes hinzufügen. Putz bildet eine zweite Ebene. Das konstruktive Material, das direkt aus dem Baugeschehen kommt, wird verkleidet und zu architektonischen Einheiten zusammengefasst, die nicht der Logik des Bauens folgen, sondern der Logik von Architektur.
Am Bruch zwischen gründerzeitlicher Blockrandbebauung und zurückspringender Zeilenbebauung aus der Nachkriegszeit steht das Gebäude als Kopfbau mit einer Breite von 10,80 m. Die dreiseitig offene Situation bot Anlass zu einer Beschäftigung mit dem Baukörper als Ganzes – statt mit einzelnen Schaufassaden.
Reinhold Jäcklein
Interview mit Reinhold Jäcklein
Eine Putzfassade mit aufgemalten Gedichten, mit Lüftlmalerei, barocken Stuckfassungen oder Graffitis? Vielleicht entsteht so etwas wie Poesie, wenn alles zusammenpasst: Die Architektur zum Ort, der Putz zur Architektur und der richtige Moment, in dem der Betrachter das Gebäude erlebt, wenn das Tageslicht die Fassade „verzaubert“.
Das Speisehaus der Nationen ist bis heute ein Bauwerk von Weltrang und steht im Kern des Olympischen Dorfes in Berlin, das 1936 erbaut wurde. Mit einer Länge von 130 Metern bilden zwei elegant gewölbte Gebäudetrakte einen elliptisch geformten Innenhof, der jeweils an den Enden von quadratischen Kopfbauten, den Nord- und Südtürmen, flankiert wird. Die runden und eckigen Baukörper in Kombination mit großen Fensterfronten vereinen die Tradition des Speisehauses mit der Modernität des neu entstandenen Stadtteils.
Nikola Savić
Interview mit Nikola Savić
Wenn sich in der Putzgestaltung der Fassade die Möglichkeiten des Materials
widerspiegeln. Denn Putz ist vielfältigst einsetzbar: ob in der Varianz der Körnung, der Art des Anbringens, der Strukturierung durch Besen, Kelle, Prägung, Relief und vieles mehr.
Das Architekturbüro dreigegeneinen macht vor, welch großes Potential Sanierungen für die Aufwertung des Stadtbildes bieten. Denn das Bestandsensemble in der Münchner „Schlierseestraße 6“, bestehend aus Vorder- und Rückhaus, wurde nicht nur im Bezug auf Energie und Nutzung saniert, sondern darüber hinaus auch mit einer neugestalteten Gebäudeoberfläche versehen. Für den einst heterogenen Wohnungsbau aus den sechziger Jahren konzipierten die Architekt*innen eine neue, moderne, individuelle und ausdrucksstarke Putzfassade, welche das Ensemble in neuem Glanz erstrahlen lässt.
Liebe zum Papier
Kunsthaus Göttingen
Die Planer von Atelier ST aus Leipzig haben das im Mai 2021 neu eröffnete Kunsthaus Göttingen realisiert. Als Impulsgeber für das neue Göttinger Kunstquartier verknüpft das Gebäude die für die Region typischen Details der Altstadt wie vorspringende Geschosse und Steildächer mit seiner dennoch eigenständigen modernen Architektur. Der neue Baukörper fügt sich harmonisch in die teils denkmalgeschützte Umgebung der mittelalterlichen Altstadt ein. Den Planer*innen ist es gelungen, aus der begrenzten Grundstücksgröße ein Maximum an Ausstellungsfläche zu erzielen. Zudem bestanden hohe Anforderungen an den Schutz der ausgestellten Kunst, denn sie besteht zum größten Teil aus Arbeiten auf Papier.
Puristisch und zugleich markant präsentiert sich der Neubau des Aparthotels GH1 am Glockenplatz in Ehingen in Baden-Württemberg. Am Rand der Innenstadt entstand das 4-geschossige Gebäude mit dreizehn Apartments und einem Eventraum. Es setzt auf harmonische Weise einen architektonischen Akzent im städtebaulichen Kontext der Kernstadt. Das Satteldach orientiert sich an den umgebenden Dachformen, der reduzierte Baukörper setzt bestehende Gebäudefluchten fort, erzeugt jedoch durch die giebelständige Anordnung zu einem Kreisverkehr hin seine Eigenständigkeit. Mit der Positionierung von Trauf- und Giebelseite erfüllt der Baukörper die Funktion als Stadteingang.
Genius Loci
Grob verputzt
Ein Haus auf einem Hügel, sanft von der Umgebung umspielt: Die Landschaft stand für den Architekten als wichtigster Bezugspunkt im Mittelpunkt des Entwurfsgeschehens. Das kompakte Ensemble, bestehend aus einem Haupt- und einem kleinen Atelierhaus, steht in Lüdersen auf dem Steilhang eines Ausläufers des Weserberglandes, nicht weit von Hannover. Das Grundstück bietet einen unverbaubaren Blick über das Calenberger Land und die norddeutsche Tiefebene. An klaren Tagen reicht der Blick bis zum Harz.
Einmaligkeit. Kein anderes Fassadenmaterial kann in gleichem Maße Ausdruck des individuellen Könnens des Handwerkers sein. Keine Technik des Materialauftrages gleicht der anderen. So viele regionale unterschiedliche Formen des Putzes sind zu bewundern, wenn man den Blick dafür schult.
Besonders schmal
Transformation historischer Putzstrukturen
Als Erstlingswerk realisierte der Architekt Felix Huber und zusammen mit dem Bauherrn, Andreas Schwab, der ebenfalls Architektur studierte, ein Wohnhaus für ein besonders schmales Hanggrundstück in Grafrath, gelegen zwischen zwei denkmalgeschützten Villen des 20. Jahrhunderts. Sie konzipierten eine sechseckige, aus den Abstandsflächen abgeleitete Grundrissform. Um einerseits den Baumbestand auf dem Grundstück zu erhalten und andererseits im Gebäudeinneren die bestmögliche Aussicht zu inszenieren, entwickelt sich die Gebäudekubatur turmartig in die Höhe. Mit hohem Anspruch an Nachhaltigkeit bedient sich das Gestaltungskonzept zudem konsequent massiver und unbehandelter Materialien – die Architekten kombinieren rohen Messing und unbehandelte Eiche mit einer gräulichen Kellenwurf-Putzoberfläche.
Putz wird nicht als fertiges Produkt montiert, sondern entsteht prozesshaft, beeinflusst durch die Wahl der Zuschläge, der Werkzeuge und nicht zuletzt durch die Verarbeitung auf der Baustelle. Er ist individueller Fingerabdruck des jeweiligen Verarbeiters – die Qualität entsteht vor Ort, nicht im Werk.
Ein vitaler Ort
Leuchtend bunte Campuslandschaft
In Garbsen realisierte das Architekturbüro Auer Weber einen neuen Maschinenbau-Campus für die Leibniz Universität Hannover – ein vitaler Ort zum gemeinsamen Lernen, Forschen, Arbeiten und Kreativsein. Für die etwa 5.300 Studierenden und Beschäftigten entstanden dort elf Maschinenbau-Institute, Labore, Werkstätten, Versuchsfelder und Hörsäle. Die Sonderbauten der Bibliothek und Mensa öffnen sich mit großzügigen Verglasungen zum Außenraum, in Zusammenspiel mit bunten Putz-Oberflächen entsteht eine konsequent gegliederte Gebäudehülle. Das Farb- und Materialkonzept des Schweizer Künstlers Jörg Niederberger macht die Fassadengestaltung des Ensembles einzigartig – strukturierte Wandflächen aus Putz sorgen in Kombination mit zweischichtig aufgetragenen Farbtönen für eine besonders lebendige Wirkung.
Unmittelbar an einer Landstraße gelegen, fungiert dieses private Mehrgenerationenhaus als markanter Ortseingang Teufenthals in der Schweiz. Mit seiner inszenierten Unaufgeregtheit kann das monolithische Wohnhaus einen Bezug zur bestehenden, heterogen gestalteten Bebauung der Umgebung herstellen. Währenddessen setzen Gautschi Lenzin Schenker Architekten bewusst auf eine eigenständige, homogene Architektursprache. Die Fassade gestaltet sich als Zusammenspiel aus Moderne und Tradition – die Sichtbetonscheiben harmonisieren hervorragend mit dem farblich darauf abgestimmten, groben Kellenwurfputz. Aufgebracht mit größter handwerklicher Sorgfalt, verleiht die Putzstruktur der Fassade einen spannungsvollen, puristischen Ausdruck.
Goldene Schachtel
Neuinterpretation historischer Baukultur
In der neuen Frankfurter Altstadt wurden in den letzten Jahren 15 Häuser originalnah rekonstruiert und 20 neu gebaut. Als eines dieser neuen Gebäude beherbergt das fünfgeschossige, durch einen Stadtblock hindurchgesteckte Bauwerk von Tillmann Wagner Architekten aus Berlin offene Loftwohnungen, die sich um einen Lichthof herum organisieren. Inspiriert von den typisch überhängenden Geschossen des Vorgängerhauses entstand eine geschossweise gestaffelte Fassade, deren Faltung sich am städtebaulichen Gassenknick sowie Topografiesprung orientiert. Den beiden repräsentativen Straßenansichten gelingt mit ihrer goldpigmentierten Putzfassade eine Architektursprache, die auf die historische Haustypologie Bezug nimmt und gleichzeitig eine eigenständige, moderne und zeitgemäße Identität ausbildet.
Putz ist definitiv kein Kleid, er ist Haut, dient der Rohbauveredelung. Formal lässt er keine Wünsche offen, es gibt keine Form, die sich nicht verputzen lässt. Er lässt sich, ähnlich einem Kuchenteig, haargenau rezeptieren. Und das auch mit Schaufel auf der Baustelle. Er kann altes Mauerwerk zusammenhalten und sich trotzdem elastisch mit bewegen, je nach Zutaten.
Siedlung Buchegg
Wohnungsbau mit Fassadenrelief
Duplex Architekten entwickelten im Auftrag der Baugenossenschaft Waidberg ein städtebaulich Gesamtkonzept für das Wohnquartier Buchegg in Zürich. 2018 fertiggestellt, bietet die Neubausiedlung mit insgesamt 110 neuen Wohnungen Platz für etwa 320 Bewohner. Neben qualitativen Innenraumkonzepten wurde gleichermaßen Wert auf die Gestaltung großzügiger urbane Außenräumen gelegt. Das Ensemble aus drei gewinkelten Baukörpern bildet ein topografisches Stadtplateau und realisiert damit einen Balanceakt zwischen Lärmschutz und Stadtausblick. Besonders die neue urbane Straßenfront zieht die Blicke auf sich – mit einem grün-gräulich nuancierten Fassadenrelief aus divers strukturiertem Putz.
Das städtische Immobilienunternehmen GEBAG beauftragte das Architekturbüro aib für die Sanierung und Erweiterung der in die Jahre gekommenen Duisburger Kita „Am Förkelsgraben“. Heute bietet das von Grund auf sanierte Gebäude zusätzliche Räumlichkeiten für Gruppen unterschiedlichster Größe. Dabei legten die Planer besonderen Wert auf ein abwechslungsreiches und klares Raumkonzept, das die Bildung sowie frühkindliche Entwicklung fördert und zur kreativen Entfaltung einlädt.
Volker Herzog
Interview mit Volker Herzog
Uralte verputzte Wände erzählen tatsächlich eine Geschichte. Manchmal sind es Einschusslöcher aus Kriegszeiten, die ausgebessert wurden oder man erkennt an der Putzstruktur, dass das Gebäude in wohlhabenden Zeiten aufgestockt wurde. Glück und Leid der Bewohner aus verschiedenen Jahrhunderten liegen auf einer Fassadenfläche nahe beieinander.
Im Zentrum des schweizerischen Ortes Jonen entwarfen Seiler Linhart Architekten drei kompakte Baukörper mit 12 Mietwohnungen sowie Gewerbeflächen. Durch ihre durchdachte Platzierung bilden sie nicht nur eine neue Mitte aus, sondern geben auch eine räumlich dichte Antwort auf den Umgang mit dörflichen Strukturen. Ihre kompakte Geometrie und die ortstypischen Satteldächer sind von den kontextuellen Gegebenheiten abgeleitet. Mit Ihrer reduzierten Farbgebung fügen sich die Neubauten behutsam und nahtlos in die historisch gewachsene Struktur ein, ohne mit dieser in Konkurrenz zu treten.
Stippputz
Struktur
Die Zeugnisse des Stippputzes stammen aus der Barockzeit sowie der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Heute hingegen kommt die Putztechnik kaum noch zur Anwendung. Charakteristisches Merkmal des Stippputzes ist seine perforierte Oberfläche. Um diese besondere Optik zu erzielen, erfolgt zunächst der Auftrag eines zweilagigen, feinkörnigen Oberputzes mit einer Dicke von jeweils 2 bis 3 mm. Die Oberfläche kann sowohl uneben belassen oder geglättet werden. Im zweiten Schritt wird in die aufgetragene Schicht von oben nach unten „gestippt“. Je nach gewünschter Optik kommen hier verschiedene Werkzeuge zum Einsatz. Während die Verwendung abgeschnittener Reisigbündel zu einer natürlichen, unregelmäßig perforierten Oberfläche führt, erzeugen Nagelbretter oder -walzen ein gleichmäßiges Lochbild. Um das Ablaufen von Tau- und Regentropfen zu gewährleisten, ist das Werkzeug beim Stippen von unten in einem leicht schrägen Winkel zur Wand anzusetzen.
Zwei denkmalgeschützte Häuser in der historischen Altstadt von Freising verwandelte das Büro Herzog Architektur von einem Verlagsgebäude in ein Mehrgenerationenhaus, das Volker Herzog heute selbst mit seiner Familie bewohnt. Der Giebelbau eines Domherren aus dem 17. Jahrhundert und das angrenzende Handwerkerhaus aus dem 18. Jahrhundert waren in desolatem Zustand. Bis sie wieder in alter Pracht strahlten, brauchte es eine zweijährige Bauphase. Zunächst erfolgte nah an den Vorgaben des Denkmalamts der Rückbau bis auf die ursprüngliche Substanz, anschließend wurden die neuen Grundrisse entwickelt. Insgesamt drei Wohnungen entstanden in den historischen Gemäuern, die ein spannendes Miteinander von Alt und Neu ermöglichen.
Wohnatelierhaus
Rohlinge zum Leben und Arbeiten
Auf dem Erlenmatt-Ost-Areal in Basel entsteht seit 2010 ein neues Stadtquartier. In diesem Zuge kaufte die Stiftung Habitat das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs mit der Intention, soziale, ökologische und nachhaltige Projekte zu fördern. Ein passender Anlass für Degelo Architekten, um hier gemeinsam mit der „Coopérative d’Ateliers“ – einem Zusammenschluss von Künstlerinnen und Künstlern – ihre Idee von bezahlbarem Wohnen und Arbeiten unter einem Dach erstmals zu realisieren.
Das Bürogebäude der Arbeiterwohlfahrt AWO im Münchner Franzosenviertel sollte zunächst nur neue Fenster und einen frischen Anstrich erhalten. Der überschaubare Auftrag entpuppte sich jedoch schnell als komplexere Aufgabe. Der historische Bau aus den 1950-Jahren war deutlich stärker in die Jahre gekommen als vermutet, sodass zusätzlich auch eine bauphysikalische Ertüchtigung der Deckenränder und Fensterlaibungen vorgenommen werden musste.
Im Rahmen der umfassenden Sanierung verliehen Gerstmeir Inić Architekten der zuvor gesichtslosen Gebäudehülle ein neues Erscheinungsbild, das sich, angelehnt an die Originalbauten des Viertels, wie selbstverständlich in das umgebende Straßenbild einfügt.
Wohnen im Alter
Pflegeheim mit Weitblick
Inmitten des städtebaulichen Kontextes funktionalistischer Wohnzeilen aus den 1950er Jahren dient das Jakob-Sigle-Heim inzwischen als prägnante Anlaufstelle für das gesamte Quartier. Da der bisherige Bau im laufenden Betrieb durch Neubauten ersetzt werden sollte, wurde in zwei Bauabschnitten zunächst das neue Pflegeheim im westlichen Teil des Grundstücks errichtet. 2020 folgt schließlich die Fertigstellung des betreuten Wohnens im östlichen Teil. Die X-förmige Grundrissgestaltung des Pflegeheims sorgt dafür, dass die Zimmer der einzelnen Wohngruppen einen direkten Bezug zum angrenzenden, halböffentlichen Grünraum haben und die gemeinschaftlichen Wohnräume zu den beiden Höfen hin orientiert sind.
Die freistehende Stadtvilla bildet den Grundtypus des neuen Wohnensembles in der innenstadtnahen Stuttgarter Halbhöhe. Sieben Baukörper sind in den durchgehenden, Identität stiftenden Garten des Baugrundstücks eingebettet, der auch das ehemalige Institutsgebäude integriert, welches als Kulturdenkmal das Entrée des Geländes markiert. Der Villengarten folgt dabei klaren Gestaltungsprinzipien und verfügt über präzise Details. Individuell positionierte Loggien und Staffelungen sind auf die topographischen Begebenheiten angepasst. Die Stadtvillen bieten Platz für insgesamt 115 Wohnungen mit Größen zwischen 60 und über 250 Quadratmetern.
Sgraffitoputz
Struktur
Die Sgraffitotechnik geht auf das 1. Jahrhundert vor Christus zurück, als der römische Autor Vitruv sie bereits in seinem Werk „Zehn Bücher über Architektur“ beschrieb. In Deutschland erlebte die Kreativtechnik ihr Comeback als „Kunst am Bau“ in den 50er und 60er Jahren. Der Begriff selbst leitet sich vom italischen sgraffiare = kratzen ab. Auf einen ebenen Unterputz werden meist eine oder mehrere, unterschiedlich eingefärbte Putzlagen nass in nass übereinander aufgebracht.
Auf einem rund 5.700 Quadratmeter großen Grundstück sind drei neue Baukörper entstanden, die sich behutsam in die Umgebung einfügen. Durch die verschachtelte Positionierung der Volumen ist es L3P Architekten gelungen, spannende Ein- und Ausblicke und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiflächen und privaten Räumen zu schaffen. Unterschiedlichen Höhen und zahlreiche windgeschützte Loggien differenzieren die Gebäude voneinander, die insgesamt 42 alters- und behindertengerechte Mietwohnungen und zwölf Pflegezimmer beherbergen.
Stempelputz
Struktur
Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurde der Stempelputz (oder auch Walzputz) vereinzelt angewendet. Bei dieser Technik wird der feinkörnige Putz im leicht angezogenen Zustand durch Stempel oder Schablonen strukturiert und bekommt so seine individuelle Handschrift. Zu den ersten, historischen Werkzeugen gehörten individuell angefertigte Holzstempel und Walzen, mit denen geometrische Muster erzeugt wurden. Um ein sauberes Ergebnis zu erzielen, werden die Stempel vor dem ersten Gebrauch leicht angefeuchtet und mehrmals in heißes Leinöl getaucht. Der leichte Stoß mit einem Gummihammer auf den aufgesetzten Stempel sorgt dafür, dass das Motiv eine Prägung im Putz hinterlässt. Neuere Beispiele wie das Haus am Zwinger in Dresden zeigen eine abgewandelte Form dieser Strukturierungstechnik, indem beispielsweise dicke Seile und Löffel in den Putz gedrückt wurden.
Allen Widrigkeiten des Bebauungsplans zum Trotz ist es den Leipziger Architekten Irlenbusch von Hantelmann gelungen, eine Kindertagesstätte zu realisieren, die sowohl architektonisch als auch für die 104 betreuten Kinder durch die markante Dachform einen echten Wiedererkennungswert hat. Das dreigieblige Volumen basiert auf einem nahezu quadratischen Grundriss, der auf 1.250 Quadratmetern großzügige Raumqualitäten im Inneren bereithält. Natürliche und beruhigende Farben werden kombiniert mit langlebigen und robusten Materialien, sodass aus einem Funktionsbau ein kindgerechter Wohlfühlort wird.
Putz gibt Struktur.
Putz bietet Vielfalt.
Putz ist Poesie.
Durch die Komposition von Struktur, Farbe und Handwerkskunst entstehen faszinierende Putzfassaden. Putzpoesie zeigt aktuelle Architektur mit einem Fassadenmaterial, das unendliche Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
Putz, der unter die Haut geht
AFACIAL Skinbar in Wien
Die AFACIAL Skinbar ist die erste Facial Bar in Wien. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kosmetikstudios wird hier durch den offenen Raum die Kommunikation gefördert und die perfekte Voraussetzung für eine völlig neue Skincare-Erfahrung geschaffen. Die Innenarchitektin Carina Haberl Kolozs hat es geschafft, dass auch das Design der Skinbar unter die Haut geht.
Dominik Thoma als Putzpoet
Interview mit Dominik Thoma
Eine gute Putzfassade ist also nie perfekt in Struktur und Glätte, da der Putzer stets mit seiner eigenen Handschrift den Putz strukturiert und dies insbesondere über große Fassadenflächen kaum makellos möglich ist. Die Ästhetik des Material Putzes besteht doch insbesondere in seiner Lebhaftigkeit.
Annabel Wietersheim als Putzpoetin
Interview mit Annabel Wietersheim
Putz kann einem rohen Material wie Beton oder Stein etwas Kleidendes hinzufügen. Putz bildet eine zweite Ebene. Das konstruktive Material, das direkt aus dem Baugeschehen kommt, wird verkleidet und zu architektonischen Einheiten zusammengefasst, die nicht der Logik des Bauens folgen, sondern der Logik von Architektur.
Chausseestraße 48
Der Baukörper als Ganzes
Am Bruch zwischen gründerzeitlicher Blockrandbebauung und zurückspringender Zeilenbebauung aus der Nachkriegszeit steht das Gebäude als Kopfbau mit einer Breite von 10,80 m. Die dreiseitig offene Situation bot Anlass zu einer Beschäftigung mit dem Baukörper als Ganzes – statt mit einzelnen Schaufassaden.
Reinhold Jäcklein als Putzpoet
Interview mit Reinhold Jäcklein
Eine Putzfassade mit aufgemalten Gedichten, mit Lüftlmalerei, barocken Stuckfassungen oder Graffitis? Vielleicht entsteht so etwas wie Poesie, wenn alles zusammenpasst: Die Architektur zum Ort, der Putz zur Architektur und der richtige Moment, in dem der Betrachter das Gebäude erlebt, wenn das Tageslicht die Fassade „verzaubert“.
Historie vereint mit Modernität
Speisehaus der Nationen
Das Speisehaus der Nationen ist bis heute ein Bauwerk von Weltrang und steht im Kern des Olympischen Dorfes in Berlin, das 1936 erbaut wurde.
Mit einer Länge von 130 Metern bilden zwei elegant gewölbte Gebäudetrakte einen elliptisch geformten Innenhof, der jeweils an den Enden von quadratischen Kopfbauten, den Nord- und Südtürmen, flankiert wird. Die runden und eckigen Baukörper in Kombination mit großen Fensterfronten vereinen die Tradition des Speisehauses mit der Modernität des neu entstandenen Stadtteils.
Nikola Savić als Putzpoet
Interview mit Nikola Savić
Wenn sich in der Putzgestaltung der Fassade die Möglichkeiten des Materials
widerspiegeln. Denn Putz ist vielfältigst einsetzbar: ob in der Varianz der Körnung, der Art des Anbringens, der Strukturierung durch Besen, Kelle, Prägung, Relief und vieles mehr.
S6 Werkstätten –
Architektur, Kunst und Kultur
Mut zur Struktur
Das Architekturbüro dreigegeneinen macht vor, welch großes Potential Sanierungen für die Aufwertung des Stadtbildes bieten. Denn das Bestandsensemble in der Münchner „Schlierseestraße 6“, bestehend aus Vorder- und Rückhaus, wurde nicht nur im Bezug auf Energie und Nutzung saniert, sondern darüber hinaus auch mit einer neugestalteten Gebäudeoberfläche versehen. Für den einst heterogenen Wohnungsbau aus den sechziger Jahren konzipierten die Architekt*innen eine neue, moderne, individuelle und ausdrucksstarke Putzfassade, welche das Ensemble in neuem Glanz erstrahlen lässt.
Liebe zum Papier
Kunsthaus Göttingen
Die Planer von Atelier ST aus Leipzig haben das im Mai 2021 neu eröffnete Kunsthaus Göttingen realisiert. Als Impulsgeber für das neue Göttinger Kunstquartier verknüpft das Gebäude die für die Region typischen Details der Altstadt wie vorspringende Geschosse und Steildächer mit seiner dennoch eigenständigen modernen Architektur. Der neue Baukörper fügt sich harmonisch in die teils denkmalgeschützte Umgebung der mittelalterlichen Altstadt ein. Den Planer*innen ist es gelungen, aus der begrenzten Grundstücksgröße ein Maximum an Ausstellungsfläche zu erzielen. Zudem bestanden hohe Anforderungen an den Schutz der ausgestellten Kunst, denn sie besteht zum größten Teil aus Arbeiten auf Papier.
Puristisch ästhetisch
Neubau des Aparthotels GH1 in Ehingen
Puristisch und zugleich markant präsentiert sich der Neubau des Aparthotels GH1 am Glockenplatz in Ehingen in Baden-Württemberg. Am Rand der Innenstadt entstand das 4-geschossige Gebäude mit dreizehn Apartments und einem Eventraum. Es setzt auf harmonische Weise einen architektonischen Akzent im städtebaulichen Kontext der Kernstadt. Das Satteldach orientiert sich an den umgebenden Dachformen, der reduzierte Baukörper setzt bestehende Gebäudefluchten fort, erzeugt jedoch durch die giebelständige Anordnung zu einem Kreisverkehr hin seine Eigenständigkeit. Mit der Positionierung von Trauf- und Giebelseite erfüllt der Baukörper die Funktion als Stadteingang.
Genius Loci
Grob verputzt
Ein Haus auf einem Hügel, sanft von der Umgebung umspielt: Die Landschaft stand für den Architekten als wichtigster Bezugspunkt im Mittelpunkt des Entwurfsgeschehens. Das kompakte Ensemble, bestehend aus einem Haupt- und einem kleinen Atelierhaus, steht in Lüdersen auf dem Steilhang eines Ausläufers des Weserberglandes, nicht weit von Hannover. Das Grundstück bietet einen unverbaubaren Blick über das Calenberger Land und die norddeutsche Tiefebene. An klaren Tagen reicht der Blick bis zum Harz.
Peter Zenker als Putzpoet
Interview mit Peter Zenker
Einmaligkeit. Kein anderes Fassadenmaterial kann in gleichem Maße Ausdruck des individuellen Könnens des Handwerkers sein. Keine Technik des Materialauftrages gleicht der anderen. So viele regionale unterschiedliche Formen des Putzes sind zu bewundern, wenn man den Blick dafür schult.
Besonders schmal
Transformation historischer Putzstrukturen
Als Erstlingswerk realisierte der Architekt Felix Huber und zusammen mit dem Bauherrn, Andreas Schwab, der ebenfalls Architektur studierte, ein Wohnhaus für ein besonders schmales Hanggrundstück in Grafrath, gelegen zwischen zwei denkmalgeschützten Villen des 20. Jahrhunderts. Sie konzipierten eine sechseckige, aus den Abstandsflächen abgeleitete Grundrissform. Um einerseits den Baumbestand auf dem Grundstück zu erhalten und andererseits im Gebäudeinneren die bestmögliche Aussicht zu inszenieren, entwickelt sich die Gebäudekubatur turmartig in die Höhe. Mit hohem Anspruch an Nachhaltigkeit bedient sich das Gestaltungskonzept zudem konsequent massiver und unbehandelter Materialien – die Architekten kombinieren rohen Messing und unbehandelte Eiche mit einer gräulichen Kellenwurf-Putzoberfläche.
Philipp Auer als Putzpoet
Interview mit Philipp Auer
Putz wird nicht als fertiges Produkt montiert, sondern entsteht prozesshaft, beeinflusst durch die Wahl der Zuschläge, der Werkzeuge und nicht zuletzt durch die Verarbeitung auf der Baustelle. Er ist individueller Fingerabdruck des jeweiligen Verarbeiters – die Qualität entsteht vor Ort, nicht im Werk.
Ein vitaler Ort
Leuchtend bunte Campuslandschaft
In Garbsen realisierte das Architekturbüro Auer Weber einen neuen Maschinenbau-Campus für die Leibniz Universität Hannover – ein vitaler Ort zum gemeinsamen Lernen, Forschen, Arbeiten und Kreativsein. Für die etwa 5.300 Studierenden und Beschäftigten entstanden dort elf Maschinenbau-Institute, Labore, Werkstätten, Versuchsfelder und Hörsäle. Die Sonderbauten der Bibliothek und Mensa öffnen sich mit großzügigen Verglasungen zum Außenraum, in Zusammenspiel mit bunten Putz-Oberflächen entsteht eine konsequent gegliederte Gebäudehülle. Das Farb- und Materialkonzept des Schweizer Künstlers Jörg Niederberger macht die Fassadengestaltung des Ensembles einzigartig – strukturierte Wandflächen aus Putz sorgen in Kombination mit zweischichtig aufgetragenen Farbtönen für eine besonders lebendige Wirkung.
Goldene Schachtel
Zeitgemäße Neuinterpretation historischer Baukultur
In der neuen Frankfurter Altstadt wurden in den letzten Jahren 15 Häuser originalnah rekonstruiert und 20 neu gebaut. Als eines dieser neuen Gebäude beherbergt das fünfgeschossige, durch einen Stadtblock hindurchgesteckte Bauwerk von Tillmann Wagner Architekten aus Berlin offene Loftwohnungen, die sich um einen Lichthof herum organisieren. Inspiriert von den typisch überhängenden Geschossen des Vorgängerhauses entstand eine geschossweise gestaffelte Fassade, deren Faltung sich am städtebaulichen Gassenknick sowie Topografiesprung orientiert. Den beiden repräsentativen Straßenansichten gelingt mit ihrer goldpigmentierten Putzfassade eine Architektursprache, die auf die historische Haustypologie Bezug nimmt und gleichzeitig eine eigenständige, moderne und zeitgemäße Identität ausbildet.
Thomas Gerstmeir als Putzpoet
Interview mit Thomas Gerstmeir
Putz ist in seiner Reliefartigkeit immer einzigartig, wenn man ihn lässt. Er ist definitiv kein Kleid, er ist Haut, dient der Rohbauveredelung. Formal lässt er keine Wünsche offen, es gibt keine Form, die sich nicht verputzen lässt. Er lässt sich, ähnlich einem Kuchenteig, haargenau rezeptieren. Und das auch mit Schaufel auf der Baustelle. Er kann altes Mauerwerk zusammenhalten und sich trotzdem elastisch mit bewegen, je nach Zutaten.
Siedlung Buchegg, Zürich
Wohnungsbau mit Fassadenrelief
Duplex Architekten entwickelten im Auftrag der Baugenossenschaft Waidberg ein städtebaulich Gesamtkonzept für das Wohnquartier Buchegg in Zürich. 2018 fertiggestellt, bietet die Neubausiedlung mit insgesamt 110 neuen Wohnungen Platz für etwa 320 Bewohner. Neben qualitativen Innenraumkonzepten wurde gleichermaßen Wert auf die Gestaltung großzügiger urbane Außenräumen gelegt. Das Ensemble aus drei gewinkelten Baukörpern bildet ein topografisches Stadtplateau und realisiert damit einen Balanceakt zwischen Lärmschutz und Stadtausblick. Besonders die neue urbane Straßenfront zieht die Blicke auf sich – mit einem grün-gräulich nuancierten Fassadenrelief aus divers strukturiertem Putz.
Kita Am Förkelsgraben
Raum zur kreativen Entfaltung
Das städtische Immobilienunternehmen GEBAG beauftragte das Architekturbüro aib für die Sanierung und Erweiterung der in die Jahre gekommenen Duisburger Kita „Am Förkelsgraben“. Heute bietet das von Grund auf sanierte Gebäude zusätzliche Räumlichkeiten für Gruppen unterschiedlichster Größe. Dabei legten die Planer besonderen Wert auf ein abwechslungsreiches und klares Raumkonzept, das die Bildung sowie frühkindliche Entwicklung fördert und zur kreativen Entfaltung einlädt.
Volker Herzog als Putzpoet
Interview mit Volker Herzog
Uralte verputzte Wände erzählen tatsächlich eine Geschichte. Manchmal sind es Einschusslöcher aus Kriegszeiten, die ausgebessert wurden oder man erkennt an der Putzstruktur, dass das Gebäude in wohlhabenden Zeiten aufgestockt wurde. Glück und Leid der Bewohner aus verschiedenen Jahrhunderten liegen auf einer Fassadenfläche nahe beieinander.
Neue Mitte Jonen
Interpretation gewachsener Strukturen
Im Zentrum des schweizerischen Ortes Jonen entwarfen Seiler Linhart Architekten drei kompakte Baukörper mit 12 Mietwohnungen sowie Gewerbeflächen. Durch ihre durchdachte Platzierung bilden sie nicht nur eine neue Mitte aus, sondern geben auch eine räumlich dichte Antwort auf den Umgang mit dörflichen Strukturen. Ihre kompakte Geometrie und die ortstypischen Satteldächer sind von den kontextuellen Gegebenheiten abgeleitet. Mit Ihrer reduzierten Farbgebung fügen sich die Neubauten behutsam und nahtlos in die historisch gewachsene Struktur ein, ohne mit dieser in Konkurrenz zu treten.
Stippputz
Struktur
Die Zeugnisse des Stippputzes stammen aus der Barockzeit sowie der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Heute hingegen kommt die Putztechnik kaum noch zur Anwendung. Charakteristisches Merkmal des Stippputzes ist seine perforierte Oberfläche. Um diese besondere Optik zu erzielen, erfolgt zunächst der Auftrag eines zweilagigen, feinkörnigen Oberputzes mit einer Dicke von jeweils 2 bis 3 mm. Die Oberfläche kann sowohl uneben belassen oder geglättet werden. Im zweiten Schritt wird in die aufgetragene Schicht von oben nach unten „gestippt“. Je nach gewünschter Optik kommen hier verschiedene Werkzeuge zum Einsatz. Während die Verwendung abgeschnittener Reisigbündel zu einer natürlichen, unregelmäßig perforierten Oberfläche führt, erzeugen Nagelbretter oder -walzen ein gleichmäßiges Lochbild. Um das Ablaufen von Tau- und Regentropfen zu gewährleisten, ist das Werkzeug beim Stippen von unten in einem leicht schrägen Winkel zur Wand anzusetzen.
Haus in Freising
Farbig wiedererwacht
Zwei denkmalgeschützte Häuser in der historischen Altstadt von Freising verwandelte das Büro Herzog Architektur von einem Verlagsgebäude in ein Mehrgenerationenhaus, das Volker Herzog heute selbst mit seiner Familie bewohnt. Der Giebelbau eines Domherren aus dem 17. Jahrhundert und das angrenzende Handwerkerhaus aus dem 18. Jahrhundert waren in desolatem Zustand. Bis sie wieder in alter Pracht strahlten, brauchte es eine zweijährige Bauphase. Zunächst erfolgte nah an den Vorgaben des Denkmalamts der Rückbau bis auf die ursprüngliche Substanz, anschließend wurden die neuen Grundrisse entwickelt. Insgesamt drei Wohnungen entstanden in den historischen Gemäuern, die ein spannendes Miteinander von Alt und Neu ermöglichen.
Wohnatelierhaus
Rohlinge zum Leben und Arbeiten
Auf dem Erlenmatt-Ost-Areal in Basel entsteht seit 2010 ein neues Stadtquartier. In diesem Zuge kaufte die Stiftung Habitat das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs mit der Intention, soziale, ökologische und nachhaltige Projekte zu fördern. Ein passender Anlass für Degelo Architekten, um hier gemeinsam mit der „Coopérative d’Ateliers“ – einem Zusammenschluss von Künstlerinnen und Künstlern – ihre Idee von bezahlbarem Wohnen und Arbeiten unter einem Dach erstmals zu realisieren.
Expressiv
Bürobau in neuer Erscheinung
Das Bürogebäude der Arbeiterwohlfahrt AWO im Münchner Franzosenviertel sollte zunächst nur neue Fenster und einen frischen Anstrich erhalten. Der überschaubare Auftrag entpuppte sich jedoch schnell als komplexere Aufgabe. Der historische Bau aus den 1950-Jahren war deutlich stärker in die Jahre gekommen als vermutet, sodass zusätzlich auch eine bauphysikalische Ertüchtigung der Deckenränder und Fensterlaibungen vorgenommen werden musste.
Im Rahmen der umfassenden Sanierung verliehen Gerstmeir Inić Architekten der zuvor gesichtslosen Gebäudehülle ein neues Erscheinungsbild, das sich, angelehnt an die Originalbauten des Viertels, wie selbstverständlich in das umgebende Straßenbild einfügt.
Wohnen im Alter
Pflegeheim mit Weitblick
Inmitten des städtebaulichen Kontextes funktionalistischer Wohnzeilen aus den 1950er Jahren dient das Jakob-Sigle-Heim inzwischen als prägnante Anlaufstelle für das gesamte Quartier. Da der bisherige Bau im laufenden Betrieb durch Neubauten ersetzt werden sollte, wurde in zwei Bauabschnitten zunächst das neue Pflegeheim im westlichen Teil des Grundstücks errichtet. 2020 folgt schließlich die Fertigstellung des betreuten Wohnens im östlichen Teil. Die X-förmige Grundrissgestaltung des Pflegeheims sorgt dafür, dass die Zimmer der einzelnen Wohngruppen einen direkten Bezug zum angrenzenden, halböffentlichen Grünraum haben und die gemeinschaftlichen Wohnräume zu den beiden Höfen hin orientiert sind.
Villengarten Relenberg
Sieben auf einen Streich
Die freistehende Stadtvilla bildet den Grundtypus des neuen Wohnensembles
in der innenstadtnahen Stuttgarter Halbhöhe. Sieben Baukörper sind in den durchgehenden, Identität stiftenden Garten des Baugrundstücks eingebettet, der auch das ehemalige Institutsgebäude integriert, welches als Kulturdenkmal das Entrée des Geländes markiert. Der Villengarten folgt dabei klaren Gestaltungsprinzipien und verfügt über präzise Details. Individuell positionierte Loggien und Staffelungen sind auf die topographischen Begebenheiten angepasst. Die Stadtvillen bieten Platz für insgesamt 115 Wohnungen mit Größen zwischen 60 und über 250 Quadratmetern.
Sgraffitoputz
Struktur
Die Sgraffitotechnik geht auf das 1. Jahrhundert vor Christus zurück, als der römische Autor Vitruv sie bereits in seinem Werk „Zehn Bücher über Architektur“ beschrieb. In Deutschland erlebte die Kreativtechnik ihr Comeback als „Kunst am Bau“ in den 50er und 60er Jahren. Der Begriff selbst leitet sich vom italischen sgraffiare = kratzen ab. Auf einen ebenen Unterputz werden meist eine oder mehrere, unterschiedlich eingefärbte Putzlagen nass in nass übereinander aufgebracht. Das gewünschte Bildmotiv wird anschließend mittels einer Schablone auf die Fassade übertragen und die Konturen mit einem spitzen Werkzeug durch eine oder entsprechend mehrere eingefärbte Putzschichten eingeritzt. Die darunterliegenden Schichten und Farben werden sichtbar, indem die oberen Putzschichten nun im noch nicht erhärteten Zustand mit einem Kratzeisen oder einer Metallschlinge abgetragen werden. Durch leichtes Abkehren der Oberfläche werden lose Putzreste entfernt und das Relief deutlich sichtbar. Als eingefärbter Putz wird meist ein Kratzputz verwendet, da dieser in höheren Schichtstärken aufgebracht werden und ein dementsprechend tiefes Relief entstehen kann. Zudem hat er eine verhältnismäßig langsame Abbindegeschwindigkeit, wodurch er sich gut verarbeiten lässt.
Wohnen Plus
Lochblech trifft auf Putzfassade
Auf einem rund 5.700 Quadratmeter großen Grundstück sind drei neue Baukörper entstanden, die sich behutsam in die Umgebung einfügen. Durch die verschachtelte Positionierung der Volumen ist es L3P Architekten gelungen, spannende Ein- und Ausblicke und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiflächen und privaten Räumen zu schaffen. Unterschiedlichen Höhen und zahlreiche windgeschützte Loggien differenzieren die Gebäude voneinander, die insgesamt 42 alters- und behindertengerechte Mietwohnungen und zwölf Pflegezimmer beherbergen.
Stempelputz
Struktur
Bereits im 16. und 17. Jahrhundert wurde der Stempelputz vereinzelt angewendet. Bei dieser Technik wird der feinkörnige Putz im leicht angezogenen Zustand durch Stempel oder Schablonen strukturiert und bekommt so seine individuelle Handschrift. Zu den ersten, historischen Werkzeugen gehörten individuell angefertigte Holzstempel und Walzen, mit denen geometrische Muster erzeugt wurden. Um ein sauberes Ergebnis zu erzielen, werden die Stempel vor dem ersten Gebrauch leicht angefeuchtet und mehrmals in heißes Leinöl getaucht. Der leichte Stoß mit einem Gummihammer auf den aufgesetzten Stempel sorgt dafür, dass das Motiv eine Prägung im Putz hinterlässt. Neuere Beispiele wie das Haus am Zwinger in Dresden zeigen eine abgewandelte Form dieser Strukturierungstechnik, indem beispielsweise dicke Seile und Löffel in den Putz gedrückt wurden.
Kita L, Leipzig
Von innen robust, von außen türkis
Allen Widrigkeiten des Bebauungsplans zum Trotz ist es den Leipziger Architekten Irlenbusch von Hantelmann gelungen, eine Kindertagesstätte zu realisieren, die sowohl architektonisch als auch für die 104 betreuten Kinder durch die markante Dachform einen echten Wiedererkennungswert hat. Das dreigieblige Volumen basiert auf einem nahezu quadratischen Grundriss, der auf 1.250 Quadratmetern großzügige Raumqualitäten im Inneren bereithält. Natürliche und beruhigende Farben werden kombiniert mit langlebigen und robusten Materialien, sodass aus einem Funktionsbau ein kindgerechter Wohlfühlort wird.
Ein Fels in der Brandung
MAC2 Museum Art & Cars
Wenn Putz zur Metapher wird: Beide Gebäude des MAC Museum Art & Cars in Singen vom Architekten Daniel Binder fügen sich fließend in die umgebende Hegaulandschaft ein. Der neuere Bau, das MAC2, erinnert durch seine raue und scharkantige Fassade aus dunkelbraunem Putz an die nahe gelegene Festungsruine Hohentwiel. Für die felsartige Struktur wurde der Spritzputz mit einer Lederlappenwalze aufgeraut und nach einer kurzen Antrocknungsphase mit einer Lammfellwalze abgeplättet.
Gemeindehaus
Auf das Wesentliche reduziert
Putz verkörpert Ruhe. Das beweist der von Bayer & Strobel Architekten entworfene Neubau für die Freie evangelische Gemeinde Kaiserslautern-Nord. Da das Gemeindehaus ausschließlich über Spenden finanziert wurde, hatten die Architekten die Vorgabe, die Kosten möglichst gering zu halten und entschieden sich für einen „veredelten Rohbau“. Von außen ist der traditionell verputzte Mauerwerksbau optisch in zwei Zonen gegliedert: Die Erdgeschosswände wurden mit einem plastischen Rillenputz gestaltet, die Zone des Obergeschosses ist glatt verputzt.
Haus mit Laube
Verputzt und vertäfelt
In privilegierter, topografischer Lage auf einem Hügel im Kanton Aargau liegt das Wohnhaus umringt von der immer wiederkehrenden Typologie der Bauernhäuser. Ortstypische Elemente wie Laube, Sockel, große Dachüberstände, gelochte Bretterverschalungen und die Fassadenproportionen waren prägend für den Entwurf. Die Laube ist dabei Teil der Identität, die aus der Auseinandersetzung mit der traditionellen Baukultur der Gegend entstanden ist. Sie vereint neben der Erschließung vielfältige Funktionen auf kleiner Grundfläche: Als Erweiterung des Wohnraums ist sie zudem Kinderspielplatz, ein Ort der Ruhe und des Rückzugs und die räumliche Verbindung vom Erdboden bis zum Dach.
Zupfputz
Struktur
Als Zupfputz oder Patschputz wird ein feinkörniger Oberputz, beispielsweise Modellierputz, in einer Schichtdicke von 1 bis 1,5 mm auf den Grund- oder Unterputz aufgebracht. Anschließend wird ein angefeuchtetes Ledersäckchen oder eine Kunststofftraufel leicht in den nassen Putz gedrückt und senkrecht nach oben gezogen. Dabei bleibt ein Teil des Putzes am Ledersäckchen oder der Traufel haften, sodass durch das Ziehen charakteristische Spitzen und Grate auf der Putzoberfläche entstehen.
Haus am Mühlbach
Lebendiger Monolith aus Putz
Wenn die Fassade zum Ausgangspunkt für die Architektur wird: Inmitten des Mühlwalder Tals befindet sich ein Einfamilienhaus in monolithischer Bauweise auf 862 Metern Meereshöhe. Es fügt sich dank seiner Putzfassade als heller Hingucker in seine Umgebung mit rauschenden Bachläufen sowie schneebedeckten Berggipfeln ein. Der monolithische Charakter entsteht durch einen gewaschenen Grobputz, der aus lokalen Sanden, Kalk und Weißzement zusammengesetzt ist.
Der Farbton des Putzes ist größtenteils naturbelassen. Dezente Nuancen entstehen zum einen durch den Einsatz von Zuschlägen. Zum anderen sorgen tageszeit- und wetterabhängige Licht- und Schattenspiele für weitere Farbabstufungen und lassen die Fassade so lebendig und dynamisch erscheinen. Um den monolithischen Eindruck des Baus hervorzuheben, wurden die Fensterbänke, das Vordach sowie die Dachplatten aus demselben Rohmaterial wie der Putz gefertigt. So verschwimmt der Übergang zwischen der Fassade und den Laibungen der versetzt angeordneten Fensteröffnungen sowie der Dachebene.
Buntsteinputz
Struktur
Buntsteinputz ist ein Dekorationsputz aus natürlicher Gesteinskörnung, der sowohl mit seinem eigenen Farbton – als auch mit lichtechten Pigmenten gefärbt – eingesetzt wird. Die Korngröße beträgt meist 1,5 oder 2 mm. Die optische Besonderheit ist das klare, lichtbeständige Dispersionsbindemittel, das die Farbigkeit der Körnung voll zur Geltung bringt. So lassen sich Färbungen nachstellen, die an natürliche Gesteine, wie beispielsweise feinkörnige Granite erinnern.
Lorenzo Gregori als Putzpoet
Interview mit Lorenzo Gregori
Putzfassaden haben enorm viel poetische Kraft. Farben, Formen, Texturen, die Haptik und das Material selbst erzeugen Spannung, wecken Emotionen und schaffen Harmonien. Ich persönlich erschaffe Neues, indem ich auf Altbewährtes, wie Kalk-Zementputze, Wasch-und Kratzputze und die ältesten und Farbklang stärksten Silikatfarben Europas, zurückreife. Das Resultat sind Oberflächen, die visuelle und fühlbare Oberflächendesigns und Atmosphären zum Ausdruck bringen. Die poetische Kraft der Putze besteht aus meiner Sicht darin, dass Fassaden, die beispielsweise von der Natur inspiriert sind, lebendig im reizenden Wechselspiel zwischen Licht, Schatten, Farbwirkung und Witterungsschutz stehen.
Schabeputz
Struktur
Der Schabeputz ist eine feinere Variante des Edelkratzputzes. Er wurde beispielsweise für Bauhaus-Bauten wie dem „Haus am Horn“ verwendet.
Zur Herstellung dieser Struktur wird ein Putz mit einer Korngröße von 1 mm verwendet. Ähnlich wie der Edelkratzputz wird er in einer Schichtdicke bis maximal 10 mm aufgetragen. Anschließend wird die oberste, dünne Schicht mit einer scharfen Ziehklinge, H-Latte oder der Kante einer Putzkelle vorsichtig abgezogen.
Volksschule Hallwang
Lernen mit Wohlfühlfaktor
Putz ist kinderfreundlich – das zeigt der von LP architektur entworfene Neubau der Volksschule in Hallwang im Salzburger Flachgau. Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 3.810 m² wurde in einer hybriden Bauweise realisiert: Die Holzelemente des Obergeschosses stellen einen Bezug zur Natur und der ländlichen Umgebung der Schule her. Einen angenehmen Kontrast hierzu bieten die mit einem hellgrauen Putz verkleideten Wandteile. Sie verkörpern zum einen die Nähe zur Stadt, sind aber vor allem strapazierfähig, beständig und baubiologisch unbedenklich, sodass Schüler und Schülerinnen sorglos auf dem bunt gestalteten Schulhof toben können.
Die individuelle Struktur des Putzes wurde in der sogenannten „Autentico“-Technik aufgetragen. Eine Lasur nach dem Vorbild historischer Beschichtungen glättet die Oberfläche mit den für sie typischen Löchern und Kratern, ohne die Struktur und Haptik des Putzes zu verschleiern. Die markante Optik der äußeren Hülle findet sich auch in den Innenräumen wieder. Zudem überzeugen sie durch große Fensterflächen und strahlen aufgrund ihrer Farbgebung in Rot- und Naturtönen viel Wärme aus.
Steinputz
Struktur
Steinputze vermitteln aufgrund des hohen und sichtbaren Körnungsanteils häufig den Eindruck einer Natursteinfassade. Sie haben traditionell eine hohe Festigkeit, weshalb sie ab Mitte des 19. Jahrhundert als Ergänzung und auch als Alternative zu Werksteinfassaden oder -sockeln an Gebäuden Verwendung fanden.
Haus am Horn
Die schlichte Formensprache des Kubus
Die Putzfassade des „Haus am Horn“, das Georg Muche 1923 gemeinsam mit der Architekturabteilung des Bauhauses entwarf, zeigt, welche grundlegende Rolle das Material im Hinblick auf die Gestaltung eines Architekturstils einnehmen kann. Ursprünglich sollte es als Musterhaus für eine ganze Siedlung dienen. Diese Pläne wurden jedoch nicht realisiert – weitere Typen und Variationen existieren nur als Zeichnungen. Dennoch verkörpert dieser Bau typische Charakteristika der Bauhaus-Architektur: Die schlichte Formensprache des Kubus, die auf jegliche Ornamentik verzichtet, betont die Funktionalität des Wohnhauses.
Die Fassade, die mit einem weißen Schabeputz mit Glimmerpartikeln gestaltet wurde, betont diese Einfachheit und ermöglicht so eine neue Form des Bauens, die nicht nur die Moderne prägte, sondern auch heutige Wohnhäuser beeinflusst. Gleichzeitig spiegelt der Einsatz eines Werktrockenmörtels der nicht auf der Baustelle, sondern bereits beim Hersteller angerührt wurde, den wirtschaftlichen Gedanken des Bauhauses, wider, Architektur seriell zu entwerfen.
Kammzugputz
Struktur
Kammzugputz kam schon im 19. Jahrhundert an Fassaden des Späthistorismus sowie des Jugendstils zum Einsatz. Der Unterputz wird besonders eben und glatt, beispielsweise gefilzt, ausgeführt, damit ein gleichmäßiger „Zug“ möglich ist. Der spezielle Kammzugputz ist mit einer Korngröße zwischen 0,5 und 1,5 mm eher feinkörnig und wird im nassen Zustand mit einem Hohlkamm oder einer Zahnleiste aus Edelstahl oder Hartholz gekämmt beziehungsweise gezogen.
Papiermuseum
Gefaltete und gekratzte Putzkunst
In Düren, dem Tor zur Nordeifel oder auch der Stadt des Papiers, hat Hollenbeck Architektur ein Museum errichtet, das thematisch passender nicht sein könnte. Begünstigt durch das weiche Wasser der Rur wird am Rande der Eifel schon seit dem 15. Jahrhundert Papier erzeugt. Umgeben von der Blockrandbebauung einfacher Nachkriegswohnhäuser wurde das innerstädtische Bestandsmuseum saniert und durch den Erweiterungsbau zu einem stadtbildprägenden, museal angemessenen Volumen ausformuliert, in dem sich alles um die Geschichte, Produktion, Weiterverarbeitung und die Papierkunst dreht.
Rau, weiß und mit einer natürlichen Haptik erinnert die Putzfassade in ihrer Anmutung an ungestrichenes Papier. Auf die Putzträgerplatte, hinter der sich eine hinterlüftete Vorhangfassade verbirgt, wurden zunächst Unterputz, Armierung und Putzgrund aufgetragen. Im nächsten Schritt erhielten die Fassadenflächen eine Beschichtung mit grobem Kratzputz in 2mm Körnung.
Xaver Egger als Putzpoet
Interview mit Prof. Dipl.-Ing. Xaver Egger
Putz kann dieses eine Kleid sein, das man drüber wirft. Diese monolithische Eigenschaft hat Beton zwar auch, ist dabei aber sehr viel rougher und braucht Fugen. Die Putzoberfläche kann homogen sein und einen Baukörper zu einer Skulptur machen, die wie aus einem Stein gehauen wirkt. Häufig werden Häuser auch als Stadtbausteine bezeichnet. Mit Putz kann man einen dieser Steine modellieren.
Nutzt die Vielfalt von Putz und gestaltet nicht immer alles gleich. Zudem sollte auch nicht unterschätzt werden, wie planungsintensiv eine Putzfassade ist. Sie ist nicht immer die günstigste und einfachste Lösung. Als Planer muss man tiefer gehen, wenn man etwas Spannendes abseits des Mainstreams entwerfen möchte.
Feuerwehr
Wie Sand am Berg
Grob, rau und robust: So präsentiert sich die neue Feuerwehr wie ein goldenes Wahrzeichen in der Gemeinde Sand in Taufers auf 870 Metern Seehöhe. Hinter der goldgelben Wand verbirgt sich ein hocheffizientes Gebäude mit klarer und einfacher Form.
Durch die simple Formensprache war es für Pedevilla Architekten umso bedeutender, sich vertieft mit Materialität und Farbe des Baukörpers auseinander zu setzen. Zudem haben Putzoberflächen in Südtirol eine lange Tradition. Die goldgelbe Spritzputzfassade ist eine Hommage an das raue Klima und die schroffen Gebirgsformationen in unmittelbarer Umgebung. Die Sonnenschutzelemente bestehen aus eloxiertem Streckmetall, deren raue Oberfläche der Haptik des Putzes ähnelt. Je nach Lichtverhältnissen wirken die Materialien nahezu monochrom. Die Inspiration für die Farbgebung lag in dem natürlichen Gelbton der Lärchenwälder. Je nach Tageszeit und Lichteinfall verändert sich der Schattenwurf des groben Spritzputzes und wechselt sein Erscheinungsbild.
Stadthaus
Wohnen mit Struktur
Wohnraum ist knapp, auch in Hannover: Als Teil der innerstädtischen Nachverdichtung bietet dieses Mehrfamilienhaus von sabo Architekten Platz für insgesamt sechs barrierefreie Wohnungen. Der viergeschossige Baukörper wird im straßenabgewandten Bereich durch einen großen Garten und ein zweigeschossiges Ateliergebäude ergänzt.
Der Baukörper wurde in monolithischer Bauweise errichtet, dessen verwendeter Ziegelstein dem faserarmierten Putz eine ideale Haftgrundlage bietet. Strukturen und Reliefs sorgen für die feinteilige Gliederung des Gebäudes. Die strukturierte Putzfassade besteht aus drei Elementen: einer klassischen Scheibenputz-Struktur, einem glatten Faschenputz als horizontales Band und einem scharrierten Putz zwischen den Fenstern sowie als Blindelemente auf der geschlossenen Fassadenseite.
Mörnbachlofts
Im Putzgewand um die Ecke
Ähnlich wie die Geschichte des hier eingesetzten Besenstrichputzes reicht die Historie des Gebäudes mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit. Das ursprüngliche Kaufhaus wurde im Laufe der Zeit zu einem Ärztehaus umgebaut. Nachdem der Bau umfangreich saniert und um mehrere Geschosse aufgestockt wurde, dient er heute als Mehrfamilienhaus. Die 2- bis 4-Zimmer-Wohnungen mit individuellen Grundrissen verfügen über Wohnflächen von ca. 67 bis 157m² und bieten Jung und Alt ein neues Zuhause mit Altstadtcharme. Durch die neue cremefarbene Putzfassade in Besenstrichstruktur passt sich die moderne Architektur nicht nur farblich an die historisch anmutende Umgebung von Altötting an. Auch der Besenstrichputz, der bereits im Jugendstil und Historismus angewandt wurde, entspricht dem Zeitgeist des Stadtbildes. Das Projekt von SEHW Architekten ist mit dem BUILD Architecture Award 2017 in der Kategorie „Best Bavarian Condominium Design“ ausgezeichnet worden.
Pinar Gönül
blgp architekten ag – Teil 2
Putz kann für sich selbst sprechen, an großen Flächen, wo die Oberfläche in den feinen Licht- und Schattenspielen des Tages zur Geltung kommt.
Der Kratzputz hat eine enorme Tiefe. Durch das Abkratzen der oberen Sinterschicht kommen die Zuschlagsstoffe und Zuschläge zum Vorschein. Es gibt keine annähernd ähnliche Putzstruktur, die einmal das Bild von einem harten Stein und einmal das Bild einer weichen, ja fast schon textilen Oberfläche entstehen lässt. Es ist schön mit der Hand darüber zu fahren. Es ist eine bewegte und lebendige Putzoberfläche.
Der Wormserputz zeichnet sich aus der Nähe betrachtet durch eine grobkörnige, „knäckebrotartige“ Oberfläche aus, die aus der Distanz jedoch ein homogenes Erscheinungsbild erzeugt.
Besenputz
Struktur
Der Besenputz wurde ebenso wie der Kammzugputz häufig an Fassaden des Späthistorismus und Jugendstils eingesetzt. Auch die Untergrundvorbereitung ähnelt der des Kamms. Ein feinkörniger Unterputz wird glatt aufgetragen und der Oberputz mit einem Besen beziehungsweise einer Strukturbürste mit Nylonborsten strukturiert.
Kirchlich
Putz trifft Klinker
Die Architektur der Neuapostolischen Kirche in Hannover zeigt sich in reduzierten Materialien und Farben: Die Fassade des Hauptschiffs wurde größtenteils mit einem fein strukturierten weißen Edelkratzputz gestaltet. Der Lichtturm über dem Altarraum wurde hell verziegelt, sodass er sich vom restlichen Gebäude abhebt und die sakrale Funktion des Baus verdeutlicht. Gleichzeitig verbinden sich die Baukörper mithilfe dieser Fassadenmaterialien miteinander, da die beiden Mehrfamilienhäuser, die gemeinsam mit der Kirche ein Ensemble aus drei Baukörpern bilden, mit dem gleichen Ziegelstein verkleidet wurden wie der Kirchturm. Doch obwohl die Ziegelfassaden des Baus von gruppeomp Architekten flächenmäßig überwiegen, sticht die weiße Putzfassade als Lichtpunkt zwischen dem Gebäudeensemble hervor und rückt so die Kirche in den Mittelpunkt.
Spritzputz
Struktur
Der Ursprung des Spritzputzes liegt im 18. Jahrhundert. Für das Aufbringen wurden dabei spezielle Putzwerfer wie beispielsweise die Putzleier oder auch die Putzhexe entwickelt. Heutzutage werden die Spritzputze überwiegend mittels moderner Putzmaschinen mit spezieller Ausrüstung auf den Unter- beziehungsweise Grundputz aufgespritzt. Durch unterschiedlich feine Korngrößen, die Ausrüstung der Putzmaschine, Deckung und Häufigkeit der Spritzschichten lassen sich charakteristische Oberflächenstrukturen herstellen.
Tassilohöfe
Gemeinschaftliche Putzstrukturen
Putz erzeugt Spannung: Vor- und Rücksprünge innerhalb der Blockrandfassaden des fünf- bis siebengeschossigen Komplexes sorgen für Aufweitungen und Verengungen und gliedern den Straßenraum. Die Großform des städtischen Blocks, der sich um einen Innenhof gruppiert und sich zur Straße als geschlossene Blockrandbebauung präsentiert, wurde unter vier Architekturbüros aufgeteilt und unter der Vorgabe eines „Fassadenreliefs“ entworfen. Der Bauabschnitt von 03 Architekten setzt auf eine klassische Lochfassade, die durch kubistische, waffelförmig modellierte Fassaden auf den städtebaulichen Kontext reagiert. Die dreidimensionale Oberflächenstruktur der Fassade wurde aus einem Traufel- beziehungsweise Scheibenputz hergestellt und durch silbrig glänzende Metallic-Effekte veredelt. Nahezu jede Fensteröffnung ist mit asymmetrisch zulaufenden Facetten versehen, wodurch ein stadtbildprägendes Relief entsteht. Mit dieser städtebaulichen Gesamtkonzeption auf einer brachliegenden Bahntrasse wurde Münchens Wohnraummangel zumindest ein Stück entgegengewirkt.
Kratzputz
Struktur
Bereits seit dem 14. Jahrhundert wird Kratzputz zur Gestaltung von Außenfassaden eingesetzt. Während die traditionelle Verarbeitung auch einen einlagigen Auftrag (Monocouche) auf dem Mauerwerk vorsah, wird er heutzutage als Oberputz auf einen Unter- oder Grundputz aufgetragen. Die Optik der Putzfassade ist abhängig von den Korngrößen: Je feiner die Kalkstein-, Marmor- oder auch Quarzkörnung, desto glatter wirkt die Struktur. Charakteristisch ist auch die durch das Kratzen partiell freiliegende Oberfläche der Körnung, was zu einer zusätzlichen farblichen Akzentuierung führen kann.
Waldfrieden
Villa mit edler Struktur
Der Putz macht es möglich: Wie ein schützender Mantel legt sich die mit einem rosafarbenen Kratzputz gestaltete Fassade um die Rundungen der Villa Waldfrieden und hebt die organische Formensprache hervor. Ursprünglich als Wohnhaus des ehemaligen Lackfabrikanten Kurt Herberts entworfen, ist die Architekturikone heute Bestandteil des Wuppertaler Skulpturenpark. Der Architekt Franz Krause konzipierte die Villa reziprok, von innen nach außen, und legte dabei großen Wert auf die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner. Ausgangspunkt seiner Entwürfe war der Mensch im Raum. Für eine angenehme Atmosphäre sorgt unter anderem die Formensprache. Alles ist rund. In keinem der Räume sind Ecken oder Kanten zu finden. Durch diese organischen Formen fügt sich der Bau nahtlos in die umgebende Natur ein. Gemeinsam mit den ebenfalls organisch anmutenden Werken des britischen Bildhauers Tony Cragg stellt die Villa auch in ihrer neuen Nutzung als Ort für kulturelle Veranstaltungen ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Skulptur, Natur sowie dem Menschen dar.