Muscheln statt Kalkstein
Wie das Projekt „Mussel Up“ etwas Wertvolles schafft, wo andere nur Müll sehen
In einer Zeit, in der Ressourcenknappheit und Klimawandel zentrale Themen in der Welt der Architektur sind, zeigt das Projekt „Mussel Up“ von Alessa Joanna Grotz, wie Innovation und Tradition in einem Material zusammenfinden können: einem Putz, der vollständig aus recycelten Muschelschalen besteht.
Eine neue Perspektive auf Kalk
Kalk ist ein bewährter Baustoff mit jahrhundertelanger Geschichte – atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend, langlebig. Doch die Herstellung von konventionellem Kalk basiert auf der energieintensiven Gewinnung von Kalkstein, einer natürlichen Ressource, deren Abbau nicht nur landschaftliche, sondern auch ökologische Spuren hinterlässt.
Alessa Joanna Grotz hinterfragt genau dieses Paradigma: Was, wenn Kalk nicht aus Steinbrüchen stammen muss, sondern aus dem Meer gewonnen werden kann? Genauer gesagt: Aus Muschelschalen, die ohnehin als Abfall anfallen.
Von der Küste zur Wand: Recycling mit System
Die Grundlage für den Putz bildet ein Material, das heute meist entsorgt wird – die Schalen invasiver Muscheln, etwa aus Aquakulturen oder Reinigungsmaßnahmen in marinen Ökosystemen. Diese werden gesammelt, gereinigt, zu Kalk gebrannt und anschließend zu einem feinen, 100% schalenbasierten Kalkputz weiterverarbeitet.
Das Ergebnis: ein CO₂-negativer Baustoff, der nicht nur Abfall reduziert, sondern gleichzeitig einen geschlossenen Materialkreislauf unterstützt.
Zwischen Handwerk und Zukunftsmaterial
Ästhetisch greift „Mussel Up“ die Tradition klassischer Kalkputze auf – mit deren glatter, mineralischer Oberfläche, angenehmer Haptik und natürlichem Farbspiel. Gleichzeitig bringt es neue gestalterische Möglichkeiten mit sich: Die Zusammensetzung des Putzes lässt sich variieren, um unterschiedliche Texturen oder Farbtöne zu erzeugen. Das Projekt schlägt damit eine Brücke zwischen historischen Handwerkstechniken und aktuellen ökologischen Herausforderungen.
Innovation statt Müll: Eine neue Denkweise
„Mussel Up“ versteht sich nicht nur als technische Innovation, sondern auch als kritischer Beitrag zur Diskussion über Materialien im Bauen und Gestalten. Es geht um mehr als reine Ästhetik – nämlich um Verantwortung im Umgang mit Ressourcen. Ein Thema, das aktueller nicht sein könnte. Alessa Joanna Grotz deckt auf, welches Potenzial in sogenanntem „Abfall“ steckt, und wie sich aus dem, was als überflüssig galt, etwas Wertvolles und Wunderschönes schaffen lässt. Dabei schafft sie Innovation dort, wo andere nur Müll sehen und setzt damit einen hohen und inspirierenden Standard für die Architekturwelt.