Dominik Thoma als Putzpoet

Was macht eine gute Putzfassade aus?

Als gelernter Handwerker steht bei mir immer die Handwerkskunst im Vordergrund, so auch beim Putzhandwerk. Eine gute Putzfassade ist also nie perfekt in Struktur und Glätte, da der Putzer stets mit seiner eigenen Handschrift den Putz strukturiert und dies insbesondere über große Fassadenflächen kaum makellos möglich ist. Die Ästhetik des Material Putzes besteht doch insbesondere in seiner Lebhaftigkeit. Und diese ist umso schöner, je mehr man das Handwerk an der Fassade ablesen kann.
Was letztendlich gelungene Putzfassaden charakterisiert, ist das erfolgreiche Zusammenspiel von architektonischer Planung, handwerklichem Geschick und der Oberfläche als Vermittlungsebene zwischen der Architektur des Gebäudes und dessen Umwelt. Im Speziellen bedeutet dies, dass sich Architekten ausreichend mit dem Material Putz beschäftigen müssen, aber zugleich das Handwerk nicht vom Planungsprozess isoliert werden darf: Für die Umsetzung hervorragender Putzfassaden braucht es gute Putzer – und die gibt es leider immer seltener. Den riesigen Vorsorgeaufwand, der nötig ist, damit eine Putzfassade wirklich funktioniert, scheuen die meisten leider.

Wie viel poetische Kraft steckt in einer guten Putzfassade?

Die meiste Poesie liegt im handwerklichen Schaffensprozess. Mit Leidenschaft und Hingabe entworfene und ausgeführte Putzfassaden strahlen eine unverkennbare Kraft aus. Man möchte sie anfassen und deren Haptik regelrecht spüren: glatt, wellig, spitz, kratzig, stumpf – all das kann eine Putzfassade vermitteln.
Poesie steckt zudem in gut alternden, patinierten Putzfassaden, wenn sich nach einigen Jahren die Wasserführung abzeichnet oder – noch schöner – das Bindemittel und die Farbe soweit ausgewaschen ist, dass das darunter liegende Korn zum Vorschein kommt.

Was kann Putz, was ein anderes Fassadenmaterial nicht kann?

Dem Baumaterial Putz wird oftmals vorgeworfen, es habe zu wenig architektonischen Anspruch und werde häufig erst dann verwendet, wenn alle anderen zur Auswahl stehenden Materialien endgültig aus dem Entwurfskonzept ausgeschieden seien oder schlichtweg die „billige Variante“ gewünscht werde. Dem muss ich aber entschieden widersprechen. Mit Putz gestalten bedeutet nahezu grenzenlose Möglichkeiten:
Putz kann untergeordnete Nebenrollen einnehmen, nämlich wenn andere architektonische Elemente in den Vordergrund rücken. Putze könne aber auch Hauptdarsteller der Fassade sein. Mit Putzen kann man einzelne Fassaden gliedern oder gar ganze Häuserblöcke im Kontext zusammenfassen. Putze können im Gegensatz zu Platten- oder Holzwerkstoffen nahezu fugenlos verarbeitet werden. Mit seinem umhüllenden Mantel kann Putz konstruktive Wahrheiten verbergen, beispielsweise bei einem verputzen Holzhaus. Je nach Struktur, Faktur und Kornzusammensetzung kann Putz auch erheblich zur Skalierung eines Gebäudes beitragen.

Was sind Ihre persönlichen Putz-Favoriten hinsichtlich Farbe und Struktur?

Im Grunde genommen habe ich keinen persönlichen Putz-Favoriten, jedoch präferiere ich Putze mit viel Struktur, die sogenannten Strukturputze. Man muss jedes Objekt, jede Fassade individuell betrachten und im Anschluss daran die richtige Putzstruktur wählen. Zur Betonung der Vertikalität oder Horizontalität eignen sich hervorragend richtungsgebende Strukturputze, z.B. Kammzug- oder Besenstrichputze. Stehen architektonische Elemente im Vordergrund, wären flächige Strukturputze, wie der Kellenwurf oder der Kellenstrich die bessere Wahl.
Farbe spielt im Zusammenhang mit Putz immer eine große Rolle. Da ich gerne die Lebhaftigkeit einer gut strukturierten Putzfassade unterstreichen möchte, bevorzuge ich eine dezente, pastellige Farbgebung. Je intensiver sich Licht und Schatten an einer Putzfassade abzeichnen, desto besser.

Welche Botschaft zum Thema Putzfassade haben Sie für andere Architekt*innen?

Mehr Mut zu Struktur und Handwerkskunst!

 

Dominik Thoma
Architekt, M.A. TUM
Staatlich geprüfter Farb- und Lacktechniker
Maler- und Lackierermeister