Thomas Gerstmeir als Putzpoet
Poetische Kraft?
Soviel, wie die Architekten oder die Handwerker hineindenken und -geben.
Das Bouquet wird mit dem Alter, je nach Potential, feiner, reichhaltiger und vollmundiger. Auch gute Verputzer werden immer besser. Haben Sie einem Konditormeister schon mal beim Verstreichen von Tortencreme zugeschaut? Gute Verputzer können diese professionelle „Leichtfertigkeit“ auch.
Was kann nur Putz?
Sich an den Rohbau anschmiegen, zum Beispiel. Er ist in seiner Reliefartigkeit immer einzigartig, wenn man ihn lässt. Er ist definitiv kein Kleid, er ist Haut, dient der Rohbauveredelung. Formal lässt er keine Wünsche offen, es gibt keine Form, die sich nicht verputzen lässt. Er lässt sich, ähnlich einem Kuchenteig, haargenau rezeptieren. Und das auch mit Schaufel auf der Baustelle. Er kann altes Mauerwerk zusammenhalten und sich trotzdem elastisch mit bewegen, je nach Zutaten.
Persönliche Favoriten?
Ich lege mich hier nicht fest. Tendiere eher zu groben tiefen Strukturen. Eher in c-Moll, knorrig oder kratzbürstig. Oder Putze, an denen man sich gut den Rücken schrubben kann. Putze mit den Qualitäten eines Charakterdarstellers in Feierlaune.
Botschaft?
Keine Angst vor Kritik an der alten Technik, keine Schienen verbauen, aufs Abtropfen achten, viele Muster anlegen lassen, Liebe zum Detail, über ALLE sogenannten Regeln der Technik nochmal nachdenken und diese evtl. in Frage stellen, ein 1-wöchiges Praktikum bei einem Stukkateur, regionale Studien und am wichtigsten: das Material denken und den Handwerkern zuhören.
Zusammenfassung
Putz hat Bouquet, ist reichhaltig und vollmundig. Er ist kein Kleid, sondern Haut. Er hält zusammen und ist trotzdem elastisch. Auf einen Favoriten will er sich nicht festlegen, doch tief und grob muss er sein. Thomas Gerstmeir hat ein ganz besonderes Verhältnis zu Putz.